07/07/2022

Landgate: eine Sinnliche Lesart von Lebenswelten im Spiegel von Raum und Zeit. Der Federico-Maggia-Preis 2022

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Biellas Webstühle sind eine Inspiration für mich, soll der Vater des Futurismus Filippo Tommaso Marinetti im Jahr 1937 bei einem Besuch in der piemontesischen Stadt Biella gesagt haben, die bereits seit dem Mittelalter als „Heimat der Wolle" und „Hochburg für feine Stoffe" gilt.

Dieses Zitat ist für uns aktueller denn je. Denn die vielschichtige und facettenreiche Textur des „Biellese“ bildet derzeit die Kulisse für ein Architektur- und Kunstschauspiel, bei dem die Stadt Biella selbst die Hauptrolle spielt und Räume ins Rampenlicht treten, welche die Industriekultur der Gegend und das natürliche Erbe einer unverwechselbaren Landschaft prägen.

Unter dem Motto „Land und Leute als Lehrmeister. Junge Planer erschaffen Wissensräume“ (ital. Originaltitel des Projekts „Imparare dal territorio. Giovani progettisti fabbricano spazi di conoscenza.“) stellten Nachwuchsarchitekten und aufstrebende Ingenieure unter 30 Jahren im Rahmen des Wettbewerbs Premio Federico Maggia 2022 ihr Talent unter Beweis. Lediglich 10 Projekt-Teams wurden von der Jury unter die Finalisten gewählt.

Der Wettbewerb, der nunmehr bereits zum 8. Mal stattfindet (zum vierten Mal auf nationaler Ebene), wird von der Stiftung Fondazione Sella gemeinsam mit der Architekten- und Ingenieurkammer Ordini degli Architetti e degli Ingegneri Biella ausgeschrieben, im Andenken an den Bielleser Ingenieur und Architekten Federico Maggia (1901-2003).

Wissensräume Spinnen: Landgate und das Lanificio Maurizio Sella

Jung, heimatverbunden und rücksichtsvoll. Diese drei Leitworte haben bei uns direkt ins Schwarze getroffen: Wir von L&L sind offen für unterschiedlichste Themen. Aber wenn diese drei Elemente gemeinsam den roten Faden eines Projekts bilden, dann ist unsere Unterstützung gewiss. Es war uns eine Ehre, als technischer Sponsor mit unseren Leuchten eines der teilnehmenden Teams zu unterstützen; die Nachwuchstalente Giona Carlotto, Giacomo Premoli, Blendi Vishkurti, Edoardo Zamberlan und Gabriele Catanzano haben gemeinsam an einem Projekt auf dem Gelände der ehemaligen Wollspinnerei Maurizio Sella gearbeitet und ihr ganzes Können im Giardino delle Fabbriche gezeigt – dem „Garten der Fabrik“, wo Naturlandschaft und Kulturlandschaft Eins werden und zu einem echten Unikat verschmelzen.

Genau an diesem grünen Fleckchen Erde am Fuße der Alpen, wo die befahrbare Maddalena-Brücke den Bach Cervo überquert, erweckte die Gruppe die Installation „Landgate" zum Leben, die auf raffinierte Weise die intrinsischen Merkmale der Flusslandschaft aus Steinen und Wasser ausschöpft.

„Landgate" ist der Schlüssel zu einem in Vergessenheit geratenen Ort und bietet eine neue Lesart des Standorts, eine Schablone zum besseren Verständnis des Raums, in den sich die Installation eingliedert, und durch die unverwechselbare historische und physische Elemente zusammengefasst und lesbar werden. Die Konstruktion mit der Silhouette eines Hochwebstuhls, die leicht erhöht auf dem Feldweg thront, besteht aus einem mit Geweben ummantelten Rahmen. Innen schaffen zahlreiche an der Holzstruktur angebrachte Linearprofile des Modells Trevi 1.0 das richtige Licht; das Ergebnis ist eine Komposition mit Transparenz, Leichtigkeit und Leuchtkraft, die sich selbst im Wasser spiegelt.

Landgate: Mit ihrem Projekt hat es das Team Giona Carlotto, Giacomo Premoli, Blendi Vishkurti, Edoardo Zamberlan und Gabriele Catanzano in die Finalrunde beim Wettbewerb Federico Maggia 2022 geschafft

Landgate: Mit ihrem Projekt hat es das Team Giona Carlotto, Giacomo Premoli, Blendi Vishkurti, Edoardo Zamberlan und Gabriele Catanzano in die Finalrunde beim Wettbewerb Federico Maggia 2022 geschafft

„Unser Ziel ist es", so Teamsprecher Giona Carlotto, „diesem Ort zu neuem Glanz zu verhelfen, Passanten neugierig zu machen und ihr Interesse auf diese „Laterne" zu lenken. Wer hier vorbeikommt, wird unweigerlich von dieser „Schachtel“ aus behaglichem warmweißen Licht und ihrem Reflex auf dem Fluss in ihren Bann gezogen. Von einem ansonsten dunklen und anonymen Winkel der Stadt geht nun eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Die Menschen werden dazu angeregt, auf Tuchfühlung mit der Wollmanufaktur, dem einstigen Herzstück der Industriestadt Biella zu gehen".

Im Inneren werden die Sinne beflügelt: Der Sehsinn wird von der Landschaftskulisse angezogen, die durch einen gerahmten Aussichtspunkt in den Blick tritt. Der Hörsinn wird vom Rauschen des Bachs aktiviert. Das „Landgate“ scheint das Tor in eine andere Welt zu öffnen, wo der Besucher mit der Natur in Kontakt tritt. Er erlebt die Natur.

Nichts als Natur.

Biellas Landschaft sollte im Rahmen des Projekts zur Geltung gebracht werden.

Biellas Landschaft sollte im Rahmen des Projekts zur Geltung gebracht werden.

Der Ausblick aus dem „Landgate“, einem „Schlüssel zum besseren Verständnis von Land und Leuten“

Der Ausblick aus dem „Landgate“, einem „Schlüssel zum besseren Verständnis von Land und Leuten“

Landgate – ein Rückzugsort für Gedankenreisen

„Landgate" lässt den Betrachter vollkommen in die ihn umgebende Landschaft eintauchen und ist ein Werkzeug, das die Wahrnehmung aller Seheindrücke verstärkt: eingebettet in die Natur, an einem nahezu übersinnlichen Ort spürt man einer jahrhundertalten Geschichte nach, die aufs Engste verwebt ist mit der cleveren Nutzung von Wasserkraft, die zu Produktionszwecken mithilfe von Wasserrädern an den Stürzen des Bachs Cervo erzeugt wurde.

Der Besucher erspäht die Gebäude des Lanificio und lässt seinen Blick durch eine spektakuläre Abfolge von uralten Durchgängen und Gärten schweifen, die den Komplex säumen und uns auf eine Zeitreise zurück ins Mittelalter mitnehmen, wo das ursprüngliche Wesen des Ortes liegt. Diesen Beobachtungspunkt, gleich bei einem dicht umwachsenen Felsen, hatte bereits vor 150 Jahren das Bielleser Urgestein Quintino Sella, seines Zeichens Politiker und Wissenschaftler, als Ort zur inneren Einkehr und Reflexion auserkoren.

Die Installation „Landgate“ eröffnet einen neuen Blickwinkel auf Naturlandschaft und Kulturlandschaft

Die Installation „Landgate“ eröffnet einen neuen Blickwinkel auf Naturlandschaft und Kulturlandschaft

Vicenza Und Biella: unterschiedliche Städte – gleich „Gestrickt"

Die Wollverarbeitung in der Gegend rund um Biella blickt auf eine jahrtausendealte Tradition zurück, was archäologische Funde aus vorrömischer Zeit belegen. Doch die Einzigartigkeit dieses Landstrichs liegt nicht so sehr darin begründet, dass das „Biellese" als Wiege des Textilgewerbes gelten kann. Bemerkenswert ist vielmehr, dass sich das Textilgewerbe hier über Jahrhunderte gehalten und bedeutende Namen hervorgebracht hat. Renommierte Modehäuser, Designer und Modeschöpfer haben Biella als Standort gewählt und ihre Unternehmen von hier aus groß und weltweit bekannt gemacht. Wie ein nach allen Regeln der Kunst geschaffenes Meisterwerk der italienischen Haute Couture, so legt auch das Projekt Landgate Wert auf Um-Kleidung vom Feinsten: ein weiß-rotes Gewand, das mit Metallschrauben und Muttern an der Struktur aus raffiniert zusammengefügten langen Holzprofilen angeknöpft ist und sich wie ein Mantel um den so geschaffenen Innenraum legt.

Eine weiße Bauplane umhüllt die Holzstruktur des Projekts „Landgate“

Eine weiße Bauplane umhüllt die Holzstruktur des Projekts „Landgate“

Detailaufnahme der Materialien für die Konstruktion des Projekts Landgate: weiße Bauplane, rote Wollbahn von Marzotto, Holz

Detailaufnahme der Materialien für die Konstruktion des Projekts Landgate: weiße Bauplane, rote Wollbahn von Marzotto, Holz

Vor 20 Jahren wurde der Giardino delle Fabbriche von einem Hochwasser heimgesucht und so gezwungen, seine Gestalt vollkommen zu verwandeln. Die korrosive Kraft des Wassers beschädigte die alte Schutzmauer, zerstörte weitere Bauten sowie die damalige Grünanlage. Kies aus dem Wasser hatte sich überall abgelagert. Danach wurde das Material abgetragen, die Überreste der einstigen Bauten wurden abgerissen und eine Ufermauer wurde errichtet. So entstand ein Areal, das als Baustellenlager diente. Der Ort wurde in eine Art Hinterzimmer der Stadt verwandelt, zu einem Lager für Baumaterialien, die der Sanierung des vom Hochwasser verwüsteten Gebiets dienten. Diesem dunklen Kapitel der Geschichte ist die Wahl der beiden Gewebe zu verdanken: In Weiß eine Bauplane, die für die notwendige Lichtdurchlässigkeit der „Laterne" sorgt und die besondere Leuchtwirkung der Installation ermöglicht.

Das „Innenfutter“ ist wertvoller und stellt eine Hommage an die Stadtgeschichte dar. Es ist ein symbolhafter Verweis auf die bedeutende Rolle, die das Lanificio Sella für Biella und seine Bürger gespielt hat: das Gewebe aus 100% Wolle in Ziegelrot ist am oberen Ende des Artefakts aufgehängt und erinnert an die geschmeidige Bewegung der Garne während ihrer Verarbeitung. Auf eine ähnliche Geschichte blickt auch Vicenza zurück, wo Wollmanufakturen zur industriellen Entwicklung und zum wirtschaftlichen Wachstum von Stadt und Provinz beigetragen haben. In Valdagno, rund eine halbe Stunde von unserem Firmensitz entfernt, ist die Textilfabrik Lanificio Marzotto zuhause, die in vielerlei Hinsicht ganz ähnlich gestrickt ist wie das Lanificio Sella aus Biella. Die wertvolle Wollbahn, die das Innere von „Landgate“ ziert, ist eine Kreation von Marzotto.

Landgate: Mit ihrem Projekt hat es das Team Giona Carlotto, Giacomo Premoli, Blendi Vishkurti, Edoardo Zamberlan und Gabriele Catanzano in die Finalrunde beim Wettbewerb Federico Maggia 2022 geschafft

Landgate: Mit ihrem Projekt hat es das Team Giona Carlotto, Giacomo Premoli, Blendi Vishkurti, Edoardo Zamberlan und Gabriele Catanzano in die Finalrunde beim Wettbewerb Federico Maggia 2022 geschafft

Landgate: ein leuchtender Erlebnisraum

Trevi 1.0 ist ein kinderleicht ausrichtbares Linearprofil mit geringem Platzbedarf, das für die Installation unter Wasser in Pools und Brunnen ausgelegt ist. Die lineare Leuchte zeichnet sich durch höchste Stoßfestigkeit aus und eine Schutzart, die sie gegen das Eintreten von Staub und Flüssigkeiten wappnet. Daher findet Trevi 1.0 gerne auch in Außenbereichen Anwendung, wo sich die Lichtlinie perfekt in die Umgebung einfügt und die Lichtwirkung optimal zur Geltung kommen lässt.

Ihre Vielseitigkeit wird auch an den beiden Ausführungen deutlich, die diffuses Licht oder Optiken bieten: Im Fall von „Landgate" wurden Leuchten mit diffuser Optik im oberen Teil der Installation angebracht, wodurch das Volumen mit Licht gefüllt wird. Die Linearprofile mit elliptischer Lichtverteilung 20°x50° wurden hingegen im unteren Teil platziert, wo Sie Streiflichteffekte auf die weiße Plane zaubern. Die warmweiße Lichtwirkung wird durch eine Farbtemperatur von 3000K im Zusammenspiel mit der roten Farbe des Marzotto-Wollgewebes erzielt.

Trevi 1.0, 3000K, 10W - 7W, diffus - 20°x50°

Trevi 1.0, 3000K, 10W - 7W, diffus - 20°x50°

Die kleinen Bauwerke der 10 Finalisten-Teams sind an verschiedenen Orten in der Gegend von Biella zu finden und in Form von Projektentwürfen und Videos noch bis zum 31. Juli 2022 in einer Ausstellung im Lanificio Maurizio Sella zu sehen. Zum Zeitpunkt der Abfassung des Blogbeitrags lädt die Installation „Landgate" im Giardino delle Fabbriche in Biella noch zu einem Besuch ein, bei dem Sie sich selbst hautnah ein Bild von diesem Erlebnisraum machen können, der einen Perspektivwechsel und einen neuen Zugang zu Land und Leuten ermöglicht.

Landgate – Das Making-of

Videos und Fotos geben Einblicke in den Entstehungsprozess der Installation „Landgate“ auf dem Gelände des Lanificio Maurizio Sella in Biella, in der Nähe des Giardino delle Fabbriche.