That’s how the light gets in.
(Leonard Cohen)
Es ist ein Riss in allen Dingen. So kommt das Licht herein. (Leonard Cohen)
Wir haben einen Blick auf das Licht erhascht, das durch die vielen tiefen Risse schimmert, die 2020 in unser aller Leben hinterlassen hat. Entstanden ist eine Sammlung von Interviews mit verschiedenen Mitgliedern des L&L-Teams.
Lucia De Rosa, International Customer Service
Wie hat sich in der letzten Zeit die gegenseitige Beziehung zwischen dir und den Kunden verändert?
Während des ersten vollständigen Lockdowns im März waren wir aus dem Backoffice alle ziemlich besorgt, wie sich diese kritische Zeit auf die Beziehung zwischen uns und unseren Kunden auswirken würde. Wir waren absolut nicht auf Homeoffice eingestellt, und auch der Großteil unserer Kunden war nicht auf das Arbeiten vom heimischen Schreibtisch vorbereitet. Wir wussten nicht, welche Auswirkungen das alles auf unsere Arbeit haben würde, ganz abgesehen von der enormen seelischen und emotionalen Belastung.
Eine wahre Geduldsprobe für beide Seiten, bei der man Geduld mit den anderen, aber in erster Linie auch Geduld mit sich selbst zeigen musste. Das Klima der Unsicherheit hat auch unsere Kunden unweigerlich aus dem Takt gebracht, alle auf unterschiedliche Weise. Doch im Laufe der Monate haben Backoffice und Kunden Schritt für Schritt gelernt, mit diesem neuen Rhythmus zu leben und zu arbeiten. Auch als wir wieder zurück im Büro waren, haben wir die partnerschaftliche Zusammenarbeit weiter gepflegt.
Worin lagen für dich die größten Herausforderungen bei deiner täglichen Arbeit?
Wenn ich an die Anfangszeit im Homeoffice zurückdenke, fällt mir als erstes ein, dass der telefonische Kontakt mit den Kunden zunächst wegfiel. Wir alle wissen, wie wichtig die Kommunikation im Kundenservice ist. Manchmal reicht ein kleines Wort aus unserem Mund, um dem Kunden die Sicherheit zu geben, dass mit seinem Auftrag alles in Ordnung ist. Am Anfang war die Kommunikation allein über E-Mails wirklich gewöhnungsbedürftig.
Viele unserer Kunden konnten ihre Geschäftstelefone nicht mehr benutzen. Für uns bedeutete das eine enorme Zunahme an schriftlicher Korrespondenz. Allerdings saßen wir ja in dieser heiklen Situation alle im selben Boot. Das hat schließlich dazu geführt, dass unser Schriftverkehr direkter und schneller wurde.
Dabei waren uns sicherlich unsere jeweiligen Area Manager eine große Hilfe. Denn sie sind oft für die Kunden in die Bresche gesprungen und haben uns an ihrer Stelle und in ihrem Auftrag angerufen. Und umgekehrt übernahmen sie auch für uns Gespräche, um schnell Support zu bieten und die Anfragen bestmöglich zu filtern.
Gibt es etwas, was du während der Quarantäne angefangen hast und jetzt immer noch weiterführst?
Das Homeoffice hat bei mir unweigerlich zu einem reduzierten Papierverbrauch geführt, da ich weder eine Ablage machen noch die Unterlagen ausgedruckt auf den Schreibtisch der Kollegen legen musste. Die neuen Arbeitsmethoden haben mich generell zu einer digitaleren und papierlosen Denk- und Arbeitsweise geführt. Ich benutze Papier jetzt nur noch dort, wo es absolut nötig ist.
Hatte die Quarantäne arbeitstechnisch vielleicht noch andere Auswirkungen, die du gerne zur Sprache bringen würdest?
Die letzten Monate waren wirklich hart. Ganz plötzlich war einfach alles so kompliziert! Wahrscheinlich war es für keinen von uns leicht, dieser Lage etwas Positives abzugewinnen. Jeder von uns hat die Situation auf seine eigene Weise erlebt. Zuhause gemeinsam mit der Familie, oder aber allein oder anderswo; für mich war es eine Zeit der Wiederentdeckungen. Denn was ich seit der Quarantäne bis heute für mich mitgenommen habe, ist vor allem Teamwork mit Kollegen, die enge Zusammenarbeit mit den Kunden und das gegenseitige Einfühlungsvermögen.
Die vertraute Stimme eines Kollegen am Telefon zu hören, hat so gut getan wie nie zuvor. Ein Hauch von Normalität am anderen Ende der Leitung. Noch nie war es schöner, eine E-Mail von einem Kunden zu erhalten, selbst dann, wenn manch einer auch nach 3 Jahren deinen Namen noch falsch schreibt 😄. In den vergangenen Monaten, sind diese kleinen, alltäglichen Gesten besonders wichtig geworden.
Antonio Carraro, Leiter Produktion
Aus heutiger Sicht, rund ein Jahr nach Beginn der Pandemie: Worin lagen in den letzten 12 Monaten die größten Herausforderungen für dich bei deiner täglichen Arbeit? Welche Hilfsmittel, Tools, Fähigkeiten hast du für dich entdeckt?
Eine Ausnahmesituation wie diese verlangte nach schnellen Entscheidungen, bei denen der produktive Aspekt im Mittelpunkt stand. Meine Aufgabe war es, das Personal zu koordinieren und auf Grundlage der erforderlichen Produktionsmengen neu zu organisieren.
Ich habe Punkt für Punkt das Ansteckungsrisiko in den Arbeitsabläufen analysiert, so zum Beispiel bei der Zuführung der Komponenten an die Werkbänke der Arbeiter. Anschließend habe ich entsprechende Schutz- und Präventionsmaßnahmen implementiert, die den Schutz der Gesundheit unserer Mitarbeiter und die Produktionsprozesse miteinander in Einklang bringen konnten.
Mir war sehr schnell klar, dass wir diesen kritischen Moment nur dann bewältigen würden, wenn wir alle einem Strang ziehen und dabei die Entschlossenheit und Kompetenzen des Einzelnen mit wahrem Teamgeist vereinen würden. Dieser Teamgeist hat schließlich auch den ein oder anderen Einzelkämpfer überzeugt.
Deine Position im Unternehmen ist besonders eng mit der Produktion verknüpft und man kann sich kaum einen Beruf vorstellen, der sich weniger für „Remote-Arbeit" eignet. Wie hat sich deine Beziehung zu den Kollegen vor Ort und zu denen im Homeoffice konkret verändert?
Getrennt, aber vereint.
Diese beiden Begriffe hatte ich bis dato nie in ein und demselben Zusammenhang gedacht. Aber heute finde ich in dieser minimalistische Definition die Essenz unserer tagtäglichen Arbeit. Ein einfaches, aber dennoch konstruktives Konzept. Die Regeln, die wir gleich zu Beginn der Pandemie aufgestellt haben, erlaubten uns sicheres Arbeiten auf Distanz, aber vereint im Wunsch, gemeinsame Ziele zu erreichen. Vereint im Aufbau neuer Beziehungen zu den Kollegen. Vereint in der Einhaltung der Vorschriften, um Ansteckung zu vermeiden. Vereint in kleinen gegenseitigen Gesten des Menschseins.
Da fällt mir ein Artikel ein, den ich vor kurzem gelesen habe. Darin wurde beschrieben, in was für einer Zeit wir leben:
Die nächste Frage stellen wir allen: Gibt es etwas, was du während der Quarantäne angefangen hast und jetzt immer noch weiterführst?
Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für viele Stunden am Tag und die Desinfektion der Hände und Gebrauchsgegenstände waren für mich die ersten beiden Schritte in Richtung Neuanfang und sind mittlerweile zu einer echten Gewohnheit geworden, die mir dabei hilft, sorgenfrei in den Tag zu starten. Wie alle, so musste auch ich erstmal in diese neue Normalität finden, mit neuer Umsicht und mit neuen Einschränkungen im Privat- und Arbeitsleben, in der Familie, im sozialen Umfeld. Eine erzwungene Normalität, die wirklich gewöhnungsbedürftig ist.
Zweifellos fühle ich mich „digitaler" als früher, wenn man das so sagen kann. Das ist das Ergebnis der vielen Stunden vor dem PC. Etwas ganz Neues für mich.
Massimo Guglielmi, Logistik
Du bist Verantwortlicher der Abteilung Verpackung und Logistik, worin lagen im letzten Jahr die hauptsächlichen Schwierigkeiten bei deiner täglichen Arbeit?
Am Anfang konnte ich all das nur schwer akzeptieren. Alles schien so surreal zu sein. Wie im Film.
Wenige Tage bevor unser Unternehmen geschlossen hat, konnte ich mir nicht vorstellen, dass auch anderswo in Italien Firmen dabei waren, ihre Pforten zu schließen. Und dann passierte erst einmal das, was man von den letzten Stunden vor den Betriebsferien kennt: großes Reinemachen, schnell noch die letzten Auslieferungen, und dann die Verabschiedung. Ein „Bis bald“ mit bitterem Beigeschmack. Voller Angst, Unsicherheit im Blick und Sorgenfalten im Gesicht.
Und als es dann endlich zurück in die Firma ging, waren wir erstmal nur ganz wenige. Alle mit Maske und auf Distanz.
Aber trotzdem war dieser Tag ein echtes Freudenfest für uns. Und wir hatten alle große Lust, das Licht des Unternehmens wieder zum Strahlen zu bringen.
Während die Betriebe alle auf einmal schlossen, war der Neustart eher fragmentarisch. Zu guter Letzt die Speditionen... ... wir verschickten zwar die Ware, aber die Lieferzeiten waren sehr viel länger als üblich.
Hat sich die Beziehung der Kollegen untereinander verändert? Und wenn ja, wie wirkt sich das auf deine Arbeit aus?
Ja, die Arbeit hat sich gezwungenermaßen verändert. Mit leeren Büros und Kommunikation nur noch per E-Mail... ich habe mich nur schwer daran gewöhnt, nicht mehr live und in Farbe mit meinen Kollegen interagieren zu können und immer einen Monitor zwischen uns zu haben.
Doch als es dann endlich wieder losging, war die physische Distanz schnell vergessen.
Kümmerst du dich zurzeit um ein spezielles Projekt, das mit diesen neu aufgekommenen Problematiken zu tun hat?
In gewisser Weise, ja. Umweltfragen sind noch stärker in den Fokus gerückt. Denn die Umwelt ist der einzige Bereich, der von diesem Stillstand wirklich profitiert hat und uns die Chance gegeben hat, noch einmal verstärkt darüber nachzudenken, wie wir Umweltbelastungen und Verschwendung im Allgemeinen reduzieren können.
Seit einigen Jahren verwalte ich u. a. die Verpackungen und sorge dafür, die Kartons und Schachteln so zu optimieren, dass kein überschüssiges Verpackungsmaterial anfällt. Weniger Müll, mehr Platz, sowohl hier im Betrieb als auch beim Warenempfänger. Bisher konnte ich schon ganz gute Ergebnisse erzielen, aber ich weiß natürlich, dass es immer noch besser geht.
Jetzt kommt eine Frage, die wir allen stellen: Gibt es etwas, was du während der Quarantäne angefangen hast und jetzt immer noch weiterführst?
In der Zeit habe ich mich wieder meinen alten Leidenschaften gewidmet: Ich habe begeistert gekocht und nach dem Abendessen habe ich immer einen kleinen Spaziergang durch mein Viertel gemacht. Ich habe mein direktes Umfeld wieder schätzen gelernt und es intensiver gelebt als zuvor. Zu guter Letzt habe ich auch Holzarbeiten für mich entdeckt.
Sabrina Olmi, Produktionsplanung
Würdest du – aus deiner persönlichen Erfahrung bei L&L heraus – sagen, dass die Situation durchaus auch positive Seiten hatte bzw. eine Lehre für die Zukunft sein kann?
Der positive Aspekt war für mich, dass ich eine tiefere Beziehung zu meinen Kollegen aufbauen konnte. Auch wenn jeder von uns allein von zuhause gearbeitet hat, haben wir uns als Teil ein und desselben Projekts gefühlt. Als Teil einer Idee, die jeder von uns nach eigenen Kräften weitergesponnen hat, ohne jemals den Faden zu unserer alltäglichen Arbeit abreißen zu lassen.
Deine Aufgaben sind eng mit der Fertigung verbunden. Hast du während des Lockdowns jemals darüber nachgedacht, wie sich deine Arbeit verändern könnte und wie sie sich im Homeoffice bewerkstelligen lässt?
Zurzeit setzt ein sorgfältiges und gezieltes Monitoring der Produktionsprozesse meine Anwesenheit im Betrieb voraus.
Dennoch ist es natürlich denkbar, technologische Werkzeuge zu entwickeln, die auch auf Distanz eine Analyse und Auswertung der Daten erlauben und es ermöglichen, den Produktionsverlauf immer eingehender zu überwachen.
In der nahen Zukunft werden wir mit modernen Technologien arbeiten, mit denen Scheduling, also Ablaufplanungen automatisch per Tablet oder Smartphone durchführbar sind. Beispielsweise kann man so die Auslastung beobachten und rechtzeitig eingreifen, um die Arbeitsabläufe optimal zu steuern, sei es in Eigenarbeit oder im Team.
Wenn du über deine Arbeit in der nahen Zukunft sprichst, ist häufig die Rede von Technologie. Und wie ist die Lage momentan?
Mit Sicherheit konnten wir in den vergangenen Monaten eine enorme Zunahme der Nutzung von Remote-Kommunikationskanälen verzeichnen. Wir alle mussten uns mit den unzähligen Plattformen für Videoanrufe auseinandersetzen, die auf einmal wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Und das Smartphone ist aus unserem Berufsalltag sicher nicht mehr wegzudenken.
Gibt es etwas, was du während der Quarantäne angefangen hast und jetzt immer noch weiterführst?
Während des ersten Lockdowns habe ich Gymnastikkurse per Videotutorial besucht (um im Thema technologischer Fortschritt zu bleiben!). Jetzt halte ich mich so zwar immer noch fit, aber virtueller Sport wird doch nie meine Leidenschaft fürs Mountainbiken ersetzen können.
Top-Thema: Anthony McCall, Solid Light Works, les Abattoirs (2013).
Foto: Caroline Léna Becker (CC by 2.0)