25/07/2024

Königliche Saline, Arc-et-Senans. Interview mit Thierry Walger, Le Point Lumineux

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Wir schreiben das Jahr 1771 und befinden uns in der Blütezeit des französischen Aufklärungsdenkens, achtzehn Jahre vor dem sozialen Erdbeben, das durch die Französische Revolution ausgelöst wird.

Der Architekt und Urbanist Claude-Nicolas Ledoux, einer der bedeutendsten Vertreter der klassizistischen Architektur Frankreichs und Europa, wird unter der Herrschaft Ludwigs XV. zum Bevollmächtigten der königlichen Salzbergwerke ernannt.

Er wird beauftragt, zwischen den Dörfern Arc und Senans einen architektonischen Komplex für die Salzproduktion zu entwerfen, die damals unter dem Monopol des Königreichs stand.

Ironischerweise wird die verpönte Salzsteuer zu einer der Keimzellen für die Revolution, die durch ihren Ausbruch die Fertigstellung des komplexen Projekts aus der Feder von Ledoux verhindert.




Ledoux‘ Projekt ist sehr rational, jedem Bereich kommt eine konkrete Bestimmung zu: eine Art ideale Industriesiedlung mit Gebäuden für die Salzproduktion, die Verwaltung sowie Flächen für die Häuser und Gärten der Arbeiter. Der Fokus auf die Effizienz des Produktionssystems und das Leben der Arbeiter macht Ledoux quasi zum Vorreiter einer Denkweise, die sich erst im nachfolgenden Jahrhundert ausbreiten sollte.

Die aus geometrischen Reihen und Beeten bestehende halbkreisförmige Anlage veranschaulicht das Ziel des Architekten, der Königlichen Saline eine „Form zu geben, die so rein ist wie der Lauf der Sonne".

Courtesy of https://www.salineroyale.com/

Die Architektur- und Landschaftsanlage wird mit der Strenge, Ausgewogenheit und dem Spiel der Proportionen entwickelt, deren Einhaltung in den Augen des Architekten Schönheit erzeugt. Wenn Ihnen dieses Konzept bekannt vorkommt, liegt das daran, dass sich Ledoux' Ansatz eng an die Renaissance-Prinzipien von Andrea Palladio anlehnt, dessen Werk wiederum direkt von der griechisch-römischen Architektur inspiriert wurde.

Ledoux – Palladio – das alte Rom und das antike Griechenland.

Meisterwerke wie die Königliche Saline von Arc-et-Senans wurden Gegenstand von Studien an Architekturschulen auf der ganzen Welt.

Thierry Walger, Lichtdesigner vom Atelier Le Point Lumineux in Besançon erzählt uns, wie er dazu kam, das Beleuchtungsprojekt für ein von der UNESCO geschütztes Architekturjuwel inmitten der grünen Region Bourgogne-Franche-Comté zu entwickeln.

Die Beleuchtung der Königlichen Saline, eines UNESCO-Denkmals, war Gegenstand einer Ausschreibung, die von LPL gewonnen wurde. Können Sie uns sagen, wie es zu dem Lichtkonzept kam? Was waren die ursprünglichen Anforderungen der Ausschreibung?

„Zunächst wurden wir im August 2021 für einen Lichtdesign-Wettbewerb auserkoren und hatten dann im Mai 2022 das Glück, ausgewählt zu werden. Der Auftraggeber hat uns sofort auf die Studie von Dominique Massounie, Dozent an der Universität Paris-Nanterre, mit dem Titel „Comment éclairer la Saline Royale - Ce que dit Ledoux du rapport de son architecture à la lumière“ hingewiesen („Wie man die Königliche Saline beleuchtet - Was Ledoux über die Beziehung zwischen seiner Architektur und dem Licht sagt").
Das war ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Unser Ziel war es, das Licht zu nutzen, um die Königliche Saline zu zeigen, wenn auch auf subtile Art und Weise, denn wir sind hier nicht in Paris oder Lyon. Wir sind in Arc & Senans, in der Franche-Comté, und... das sollten wir nicht vergessen!”

 


Subtile Beleuchtung.

Bereits in der ersten Antwort liefert uns Thierry Walger Hinweise darauf, wie der Ansatz zur Beleuchtung der Saline Royale zu verstehen ist: ein historisches Denkmal, das sich noch dazu in einer ländlichen und natürlichen Umgebung befindet. Wir lassen uns mehr über diese beiden Aspekte erzählen.

Wie geht man an die Beleuchtung eines historischen Denkmals heran, das von Nicolas Ledoux, einem der größten Architekten Frankreichs, entworfen wurde?

Wir wollten die architektonischen Feinheiten hervorheben, aber auf ausgewogene Weise, um das Projekt als Ganzes nicht zu destabilisieren.

„Wir erstellten daher ein 3D-Modell, anhand dessen wir die Anzahl der Leuchten, ihre Ausrichtung und ihre Lichtstärke-Einstellungen definieren konnten, um sie dann genau so zu positionieren, dass die gewünschten Lichteffekte erzielt werden. Die Leuchten wählten wir unter Berücksichtigung ihrer Lichtverteilung, ihrer technischen Leistungen und natürlich ihrer Ästhetik aus und legten eine Farbtemperatur von 3000 K für den gesamten Standort fest. So haben wir uns für ein einfarbiges Licht entschieden und mit den Intensitäten gespielt, um die Konturen dieser außergewöhnlichen Architektur zu betonen.”

Beleuchtung eines historischen Denkmals in ländlicher Umgebung: Wie kann man die Beleuchtung so integrieren, dass sie die Umwelt und die natürliche Dunkelheit respektiert?

„Die Beleuchtungssysteme sind einfach: Alle Stromkreise schalten sich in der Dämmerung ein und, zum Schutz der Artenvielfalt, um Mitternacht wieder aus. Natürlich kann dieser Zeitplan anlässlich besonderer festlicher Veranstaltungen geändert werden”.

Bei dem vom Atelier Le Point Lumineux realisierten Projekt handelt es sich also um einen behutsamen Eingriff, der die Architektur in Szene setzt, ohne die Landschaft zu verbergen, sondern diese im Gegenteil durch einen perfekten und faszinierenden Halbschatten betont. Tauchen wir nun in das Herz des Lichtkonzepts ein, um zu begreifen, wie Walger mit dem Licht gearbeitet hat, um nur einige architektonischen Details hervorzuheben und das vom Architekten Ledoux ersonnene perfekte Gleichgewicht zu bewahren.

Wie haben Sie die Prioritäten des Projekts Saline Royale festgelegt? Welches Konzept stand hinter der Wahl der Beleuchtung?

„Die urnenförmigen Relief-Skulpturen, die das aus den Wänden sprudelnde Salzwasser symbolisieren, wurden gegenüber den flachen Fassaden stärker hervorgehoben. Die Einbauleuchten, die sie anstrahlen, verbreiten ein Licht mit zwei verschiedenen Farbtemperaturen, die in ihrer Intensität variieren und an das Tröpfeln von Salzkonkretionen erinnern.”

Gebäude der Wache und Eingang zu den Königlichen Salinen

„Das Peristyl aus acht dorischen Säulen vor dem Gebäude der Wache, das den Eingang zum Monument bildet, wird von Bodeneinbauprofilen beleuchtet, die auch im Innern zu finden sind und das Tympanon neu gestalten. Unter dem Peristyl befindet sich eine künstliche Grotte, die mit einer Reihe von groben Steinblöcken verziert ist und an das Innere der Erde erinnert, aus der das Salz gewonnen wird. Das warme weiße Licht des Gewölbes empfängt die Besucher”.

Eingang zur Königlichen Saline: Peristyl und Grotte
Tago 1.1, 3000K, 24W, 29°, mit Wabenraster

Eingang zur Königlichen Saline: Peristyl und Grotte
Tago 1.1, 3000K, 24W, 29°, mit Wabenraster

Thierry Walger erwähnt die an den dorischen Säulen des Eingangs im Boden eingebauten Profile: dabei handelt es sich um die linearen Boden-Einbauleuchten Tago 1, die sich im gesamten Beleuchtungsprojekt mit unterschiedlichen entsprechend dem gewünschten Lichteffekt ausgewählten Abstrahlcharakteristiken wiederfinden. Die Wahl fiel auf Tago, weil diese Profile, so der Lichtdesigner, „einfache und diskrete photometrische und ästhetische Eigenschaften haben und ihre technischen Merkmale dem entsprechen, was wir für diese Art von Projekt suchten”.

Einfachheit und Diskretion, die für Eingriffe an historischen Monumenten wie der Königlichen Saline unerlässlich sind, aber auch geeignete technische und photometrische Eigenschaften.

Die Säulen des Peristyls am Eingang (Foto oben) und die am Haus des Direktors, des imposanten Bauwerks im Zentrum der halbkreisförmigen Anlage der Königlichen Saline (Foto unten), werden dank der 29°-Optik von Tago mit integriertem Wabenraster durch ein elegantes Helldunkel hervorgehoben. Schauen wir uns die folgenden Fotos genauer an. Im Einklang mit dem unverwechselbaren Stil Ledoux‘ verleiht das auf den Säulen aus Trommeln und Quadern entstehende Licht- und Schattenspiel dem Gebäude eine äußerst reizvolle Lebendigkeit.

Haus des Direktors, im Zentrum der Königlichen Saline
Tago 1.1, 3000K, 24W, 29°, mit Wabenraster

Haus des Direktors, im Zentrum der Königlichen Saline
Tago 1.1, 3000K, 24W, 29°, mit Wabenraster

Wie der Lichtdesigner hinsichtlich der Beleuchtung des Eingangsbereichs feststellte, strahlt das Licht vom Fuß der Säulen nach oben und gestaltet das Tympanon neu. Auf diese Weise treten alle - und nur die - wichtigsten Reliefs der klassizistischen Architekturelemente von Ledoux aus dem Halbschatten hervor, als wären sie mit dem Stift nachgezogen.

Der Vorsprung von Tympana und Gesimsen enthält die „Tinte“ unseres Markierstifts - das Licht; neben der Nutzung dieser physischen Begrenzung können manuelle Eingriffe vorgenommen werden, um den Lichtkegel auf die vertikale Fläche zu lenken: eine Möglichkeit, diesen Effekt ohne Streuverluste nach oben zu akzentuieren. Alle Optiken von Tago lassen sich um ±20° schwenken. Diese Einstellung kann von außen vorgenommen werden, ohne die Dichtheit bzw. Staub- und Wasserbeständigkeit der Leuchte (IP65 und IP67) zu beeinträchtigen.

Tago 1.1, 3000K, 24W, 29°, mit Wabenraster
Tago 1.1, 3000K, 24W, wall grazing
Tago 1.1, 3000K, 24W, wall washer

Weitere Säulen.

Sie sind etwa halb so hoch wie die vor dem Haus des Direktors und zeichnen sich durch eine breitere Basis aus und schließen sich oben zu Bögen. Sie bilden die Eingänge zu den Seitengebäuden, die auf dem obigen Foto zu erkennen sind. In diesem Fall ist es die Wallgrazing-Optik, die sowohl die Säule als auch den Bogen umschmeichelt, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten, ähnlich wie die Abschattung in der Malerei.

Schauen wir uns das genauer an.

🌕 Am stärksten wirkt das Licht auf die Säule, wo der Schatten nur die einzelnen Quader hervorhebt;
🌗 darüber, im oberen Bogen, weicht das Licht einem Kontrast mit dem Schatten, der mehr Dramatik vermittelt;
🌑 abschließend wird der Schatten in dem durch das Gesims geschaffenen Hohlraum intensiver
🌕 und lässt dem Licht gerade so viel Raum, dass es die Konturen des oberen Tympanons nachzeichnet.


Zum Schluss noch die Wallwasher-Optik, die sich zur großflächigen, ganzheitlichen Beleuchtung der Gebäudefassaden eignet. Bei diesem Projekt wird sie zum „Waschen“ der Steinfassaden aller Gebäude verwendet, die den halbkreisförmigen Hof umstehen. Das Licht bleibt unter den besonders ausladenden Vordächern stehen, die im Schatten bleiben, so wie im Übrigen der gesamte umliegende Raum. Ein starker Kontrasteffekt, der uns voll und ganz die Fähigkeit des Lichts aufzeigt, die Wahrnehmung des Raums zu hierarchisieren: So wird die klassische Architektur auf das Podest gehoben und mit ihr die Erzählung ihrer wertvollen Details.

Tago 1.1, 3000K, 24W, wall washer
Tago 1.1, 3000K, 24W, wall grazing

Ein komplexes, bedingungsloses Lichtkonzept wie das der Königlichen Saline gibt uns die Gelegenheit, Thierry Walger eine letzte Frage zu stellen; eine allgemeine Frage, um zu erfahren, welches seiner Meinung nach die grundlegenden Merkmale sind, die ein Projekt zu einem guten Beleuchtungsprojekt machen.

Thierry Walger, Le Point Lumineux

„Wir müssen den Grundsatz beachten, der da lautet: wenn der Akt des Bauens den drei großen allgemeinen Prinzipien des Nützlichen, Soliden und Schönen entspricht, so gilt das Gleiche für den Akt der Beleuchtung. Sie soll dem Menschen bei seinen nächtlichen Aktivitäten zu Diensten sein.
Ein Projekt entsteht aus dem Willen einiger weniger, wird dann durch das Engagement und die Besessenheit anderer befeuert und schließlich dank des Know-hows und der Expertise wieder anderer umgesetzt, die alle durch den einen Wunsch verbunden sind, das Projekt zu verwirklichen.
...Wie man sieht, ist ein technisches und ästhetisches Projekt wie dieses vor allem ein menschliches Abenteuer, das auf der Qualität der Beziehungen in Form von Vertrauen, Respekt und natürlich auf den Fähigkeiten aller Beteiligten beruht.“

„Ein menschliches Abenteuer.“

Ein Geflecht von Beziehungen und Vertrauen zwischen Menschen, von denen jeder seine Kompetenzen einbringt, um ein Projekt zu verwirklichen, das de facto in den Dienst der Menschheit gestellt wird.

Ein Kreis, der sich schließt und bei näherer Betrachtung perfekt zu jenem rationalen, aufklärerischen und modernen Denken passt, für das die Formen und der Stil des Architekten Ledoux stehen.

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