Rom, Ende der 1960er-Jahre. In den Sommermonaten gibt sich die intellektuelle Szene Roms am Küstenstreifen vor den Hügeln der Ewigen Stadt ein Stelldichein. Besonders beliebt bei der römischen Bourgeoisie, bei Künstlern und Schauspielern der Cinecittà ist der Küstenort Fregene mit seinen zahlreichen Villen inmitten der ruhigen Pinienwäldchen.
An diesem Fleckchen Erde erwirbt auch der Architekt Giuseppe Perugini ein Grundstück und macht sich daran, sein ganz eigenes Traumhaus am Meer zu errichten 1. Das Ergebnis ist alles andere als ein anonymes großbürgerliches Domizil. Sein Ferienhaus zählt in Italien bis heute zu den genialsten Bauwerken des 20. Jahrhunderts.
Licht für die Casa Albero
In den Jahren von 1968 bis 1975 verwandelt der Architekt Perugini seine Ferienhaus-Entwürfe zu einem wahren Wohnraum-Experiment. Peruginis Inspirationsquelle war die brutalistische Architektur, doch ließ er darin absolute künstlerische Freiheit jenseits aller Regeln und Konventionen und familiäre Kreativität miteinander verschmelzen.
Denn die Casa Albero (Baumhaus) oder Casa Sperimentale (Experimentelles Haus), wie das Kunstwerk zu Recht genannt wird, ist Ausdruck der Gemeinschaftsarbeit der 3P: Giuseppe Perugini verwirklichte seine Vision zusammen mit seiner Ehefrau und Architektin Uga De Plaisant und Sohn Raynaldo Perugini, der später in die beruflichen Fußstapfen seiner Eltern treten sollte 2.
Die Jahre zogen ins Land, doch die Familie bewohnte das Haus in den darauffolgenden zwei Jahrzehnten praktisch nicht. Und seit dem Tod von Giuseppe Perugini im Jahr 1995 wurde die Casa Sperimentale sich selbst überlassen und dem Verfall Preis gegeben. Nicht nur der Zahn der Zeit hat an der Komposition genagt, sondern auch der Vandalismus. Graffitis überziehen heute die Wände und Fassaden, das Haus ist innen wie außen von Müll und Schmutz übersät.
Doch noch immer geht eine unverwechselbare Aura von diesem waghalsigen Bauwerk aus, das noch heute als ein Lehrstück für Architektur unter freiem Himmel gelten darf und jeden zum Staunen bringt, der sich in der Umgebung des Hauses aufhält und sich mit intellektueller Neugierde mit der Casa auseinandersetzt.
Und wie in einer Lehrstunde über Techniken, Volumen, Formen und experimentelle Entwürfe haben wir uns ausgemalt, wie wohl die Außenbeleuchtung rund um die Casa Albero hätte aussehen können.
Mitten im Pinienwald von Fregene, losgelöst von der Erde und getragen von sichtbaren Trägern und Stützen, scheint das Haus geradezu zwischen den Bäumen zu schweben und mutet selbst wie ein Baum an, „mit Volumen, die an Zweigen aus Stahlbeton zu hängen scheinen" 3.
Zwei architektonische Leitelemente des Brutalismus springen einem unmittelbar ins Auge: Die tragende Struktur bleibt nicht im Verborgenen, sondern wird gewollt sichtbar gemacht. Der charakteristische Sichtbeton wird mit nur zwei weiteren Werkstoffen kombiniert: Glas und rot lackiertes Metall 4.
Zwischen den tragenden Pfeilern wird der Wohnraum durch drei kubische Module organisiert. Diese sogenannten „cubetti" sind auf verschiedenen Ebenen angeordnet und können gemäß dem Konzept der modularen Bauweise und wiederholbaren Formen idealerweise unendlich erweitert werden. Insgesamt versprüht das Bauwerk Leichtigkeit – trotz der Schwere der verbauten Materialien. Das ist den horizontalen und vertikalen Schlitzen zu verdanken, die die Betonplatten voneinander trennen und tagsüber ein Spiel mit dem durchscheinenden Licht vollführen 2.
Bei unserer imaginären Lichtplanung für den Außenbereich der Casa Perugini war es uns ein Anliegen, die Identität des Bauwerks zum Vorschein zu bringen, ohne dabei sein ursprüngliches Wesen zu verfälschen. Wir spielen – dem Beispiel der Architekten folgend – mit den Schnittlinien, mit Licht und Schatten aus der Natur und den Farben Rot und Grau. Wir zeichnen Quadrate über Quadrate und geben dem Baumhaus mit unserem Licht die Idee von schwebender Leichtigkeit zurück.
Wir widmen uns nacheinander den einzelnen Segmenten und teilen das Gebäude dabei in vier Ebenen ein.
Aber zunächst wollen wir Ihnen einen Gesamteindruck vermitteln.
Die erste Ebene. Swimming-Pool und Technikräume
Im Erdgeschoss befinden sich – eingebettet zwischen den Pfeilern der tragenden Struktur – das Schwimmbad und die Räume für die Haustechnik. Das Wasserbecken, über dem der Bau thront, reflektiert das Gebäude und vergrößert insgeheim den Raum, den die Casa einnimmt.
Das Haus scheint zu schweben. Zur Betonung dieses erstaunlichen Eindrucks der Schwebe verwenden wir – ausschließlich im Parterre – kaltweißes Licht mit einer Farbtemperatur von 4000K, um die Konturen des Pools und der Technikräume nachzuzeichnen.
Das diffuse Licht strahlt von unten nach oben und folgt dabei den Quaderformen der Architektur.
🔶 Während am Eingang zu den Technikräumen diffus strahlende Einbauprofile verbaut wurden,
🔶 werden die Lichtlinien, die innenumfänglich am Schwimmbecken entlang verlaufen, durch Unterwasser-Linearprofile geschaffen.
🔶 Die beiden Pfeiler, die aus dem Wasser hervorragen, werden hingegen von Einbauleuchten des Modells Bright 316L mit engstrahlender Optik angeleuchtet.
Die zweite Ebene. Tragende Struktur und Wohnbereich
Vom Erdgeschoss arbeiten wir uns bis in die Casa vor, die mehr den Anschein einer wirren Ansammlung von Stützen, Platten, Modulen und Kuben als den Eindruck einer Wohnung erweckt.
Für diesen Wohnkorpus stellen wir uns ein Licht vor, das sich ganz sanft und harmonisch in das Projekt einfügt, also in keiner Weise invasiv ist: Die verwendeten Strahler haben eine sehr kompakte Baugröße und wurden ganz diskret an Schnittebenen, Verbindungsstücken sowie in Ecken angebracht. Sie verschmelzen absolut unauffällig mit dem Gebäude, da sie in den beiden Haupt-Farbtönen, grau und rot, gehalten sind und damit ganz der Farbgestaltung der Sichtbeton-Pfeiler, der Stahlverbindungen, Treppen, Türen und Fenster folgen. Die Leuchten nutzen nicht zuletzt auch die Schnittlinien zwischen den einzelnen Modulen raffiniert aus, denn an ihnen verlaufen gut versteckt die Anschlussleitungen.
Die gewollten Einschnitte zwischen den einzelnen Baumodulen sorgen für Leichtigkeit und lassen gleichzeitig Sonnenlicht in den Raum. Wo sich horizontale und vertikale Tragbalken überkreuzen, wurden kleine Strahler mit halbkreisförmigem Lichtaustritt bzw. 8°x160°-Optik installiert, die in den Abendstunden Linien und Schnittlinien in neuen strahlenden Spielarten inszenieren und auf ihre Weise das vom Architekten gewollte Spiel interpretieren.
Diese Lichtbänder scheinen den Bau zu stützen und nehmen Bezug auf die Schatten, welche die sich überlagernden Pfeiler tagsüber zu Boden werfen.
Die gleichen Strahler wurden auch auf den Simsen angebracht, von wo aus sie die Fensterprofile Quadrat um Quadrat nachzeichnen:
Die Beleuchtung des Hauptbaus aus Stahlbeton wird von Markierungen aus Licht perfektoniert. Diese Markierungslichter strahlen vom höchsten Punkt der senkrechten Träger, auf denen die Villa ruht, nach unten. Der 11° enge Lichtaustritt verleiht zusätzliche Vertikalität und trägt dazu bei, die zweite von der darunterliegenden ersten Ebene abzuheben, was auch der wärmeren Farbtemperatur im Vergleich zur ersten Ebene zu verdanken ist. So wird der Leichtigkeit Rechnung getragen, auf der bereits im Originalprojekt das Augenmerk lag. In diesem Fall wurden die kleinen Strahler in der Farbe Rot gewählt, wodurch sie selbst zu einem dekorativen Element werden.
Die dritte Ebene. Eingangstreppe und Badezimmer
Die Ttreppe, die zum Haus hinauf führt, ist ganz im Sinne einer Zugbrücke gestaltet: Sie kann sich vom Boden abheben und das Haus so zu einem sicheren Rückzugsort für seine Bewohner machen – wie ein Nest zwischen den Baumwipfeln. In Formen und Farbe erinnert die Treppe zudem an eine Rutsche auf einem Kinderspielplatz. Durch eine enge, langgezogene Projektion wird die Brücke diskret beleuchtet, ganz so, als ob sie uns dazu einladen wollte, das Haus zu betreten: die Leuchte ist am Baum gegenüber der Treppe platziert und an den Zweigen festgemacht.
Die Bäume spielen in Peruginis Projekt eine wesentliche Rolle: von Beginn an wollte der Architekt eine schwebende Komposition. Der Name „Baumhaus" kommt also nicht von ungefähr. Dieses Konzept blieb von der Ursprungsidee bis zur tatsächlichen Umsetzung in einem Garten voller dichter Vegetation wegweisend. Die Pflanzen werfen tagsüber Schatten auf die Außenwände und das umliegende Grundstück und stehen so in einem konstanten Dialog mit dem Bauwerk.
Die Schatten der Zweige, die tagsüber auf das Gebäude fallen, werden am Abend an der Wendeltreppe wieder aufgenommen, und zwar durch die Verwendung von Strahlern mit Schatteneffekt-Filtern. Die Treppe wird auf diese Weise durch Lichtflecken beleuchtet, ganz so als würden die Zweige der umstehenden Bäume ihre Schatten auf sie werfen.
Der Effekt ist leicht, kaum wahrnehmbar, ein Hauch von Licht, aber dennoch dreidimensional; ein Imitationsprozess des Tageslichts bringt dieses Ergebnis hervor – eine Lichtwirkung, die die sonst so klare Kluft in unserem visuellen Erleben bei Tag und bei Nacht schließt.
Die Geometrie der Quader, Kuben und geraden Linien, welche die Wohnanlage auszeichnen, wird durch nur zwei kugelförmige Elemente unterbrochen, die wie am Gebäude hängende Schalen anmuten: es handelt sich hierbei um die beiden Baderäume des Hauses.
Von außen werden die Badezimmer von am Wohnbau und an Bäumen befestigten Strahlern mit Schatteneffekt-Filtern angeleuchtet. Im Sinne einer höchst harmonischen Integration der Leuchten in das Bauprojekt, wurden die Strahler auch in diesem Fall farblich auf die Installationsumgebung abgestimmt: Strahler in der Farbe Rot am Gebäude, Spots in der Oberflächenausführung Mineralisch grün an den Bäumen – eine Farbe, die sich bestens für das Landscape Lighting eignet.
Die vierte Ebene. Garten und Meditationsraum
Der Garten rund um die Casa Albero bildet den glorreichen Abschluss unserer Beleuchtungsplanung. Das einzige vom Hauptbau gänzlich losgelöste architektonische Element ist die Palla: ein kugelrunder Meditationsbereich aus Zement, der vom Architekten für Stunden der inneren Einkehr erdacht wurde. Diese geometrische Form ist wie keine andere der Inbegriff von Perfektion. Der sphärische Baukörper kommt ohne Fenster aus. Dennoch wandert das natürliche Tageslicht durch die Hauptöffnung und einen rings um die Kugel verlaufenden Spalt bis ins Innere.
Die Beleuchtung des Meditationsraums inmitten des Gartens setzt auf dasselbe Konzept, das schon für die architektonischen Elemente der dritten Ebene zum Tragen kam: Lichtklekse, die über Schatteneffekt-Filter der Strahler erzeugt werden. Die rote Farbe durchbricht den ansonsten fließenden Verlauf der Gebäudebeleuchtung, was unter anderem durch dichroitische Filter an den Leuchten erreicht wird.
Ein echter Hingucker, ein akzentuierter Blickfang, der den Meditationsraum als separates Element jenseits vom restlichen Projekt inszeniert. Ein wahrer Protagonist auf der Pinienwaldbühne, der aus unterschiedlichsten Winkeln beleuchtet wird. Die rote Farbe ist natürlich eine Hommage an die Details aus Stahl im Hauptgebäude und der einzige Farbton, der an verschiedenen Stellen immer wieder aufgegriffen wird.
Die Palla wird von Strahlern des Modells Ginko beleuchtet – an den Bäumen in der Oberflächenausführung Mineralisch grün, am Gebäude versteckt hingegen in der Farbe Rot.
Mit den gleichen Spots wurden Lichtakzente im Garten geschaffen. Auf diese Weise sollte die Schattenwirkung des Tageslichts auch bei Nacht nachgebildet werden. Die Szene wird von zwei mächtigen Bäumen dominiert, die an ihren Stämmen von Einbauleuchten des Modells Bright 3.F von unten nach oben angestrahlt werden.
Die Wiedergeburt der Casa Albero
Rom, 2020. 25 Jahre sind seit dem Tod des Architekten Perugini vergangen. Doch sein Experimentelles Haus macht immer noch von sich reden und rückt endlich wieder in den Fokus der Öffentlichkeit – dank einer Ausstellung in der Stuttgarter architekturgalerie am weißenhof 5 im Jahr 2019 und der Gründung von einem Komitee zur Erhaltung der Casa Albero in Rom, das sich endlich diesem verkannten Meisterwerk annehmen sollte.
Das „Comitato permanente per la tutela della Casa Albero” hat mittlerweile bereits damit begonnen, die Palla und andere Gebäudeteile von den unzähligen Graffitis und Beschmierungen zu befreien, für die das Haus in den Jahren der Vernachlässigung als Leinwand gedient hatte 6. Das Ziel dieser neu gegründeten Organisation ist ganz im Sinne des derzeitigen Eigentümers, dem Architekten Raynaldo Perugini: Die Casa Albero soll ein Raum werden, der allen und allem offen steht; eine Kulturstätte und ein Veranstaltungsort für unterschiedlichste Initiativen, die das gesamte didaktische wie kulturelle Potential der Anlage zur Geltung bringen. Eine Rückkehr also zu den Wurzeln von Peruginis Projekt, zurück zum experimentellen und offenen Wesen, das der Natur innewohnt. Ein regelrechter Kurswechsel, eine kraftvolle Rebellion gegen das Schicksal von Niedergang und Verfall, das in Italien für viele Kunstwerke leider unausweichlich scheint.
Mit unserem kleinen offenherzigen und beleuchtungstechnisch aufgeschlossenen Entwurf wollten wir unseren Beitrag dazu leisten, das Interesse der Öffentlichkeit an einem bislang verkannten Meisterwerk der Architektur zu wecken und den Blick auf die Leidenschaft zu lenken, mit der sich die freiwilligen Mitarbeiter des Komitees für seine Wiederentdeckung und Wiederaufwertung einsetzen.
Gibt es auch bei Ihnen ein verlassenes Bauwerk, dem Sie gerne durch Licht neues Leben einhauchen würden?
Sitografie
1. Elle Decor, Dentro la casa più sperimentale di Fregene (Willkommen im experimentellsten Haus von Fregene), https://www.elledecor.com/it/case/a36670658/casa-sperimentale-albero-fregene-giuseppe-perugini/ (20/07/2021)
2. Instoria, La "casa albero" a Fregene. Un'abitazione dalle mille accezioni (Die „Casa Albero" in Fregene – ein Haus mit tausend Facetten), http://www.instoria.it/home/casa_albero_fregene.htm (20/07/2021)
3. Archweb, Casa sperimentale a Fregene (Experimentelles Haus in Fregene), https://www.archweb.com//architetture/opera/Villa-Perugini-Fregene/ (20/07/2021)
4. ArchiDiAP - Dipartimento di Architettura e Progetto - Sapienza Università di Roma (Fachbereich Architektur und Planung - Sapienza Università di Roma), https://archidiap.com/opera/casa-sperimentale/ (20/07/2021)
5. Artribune, La Casa Albero di Fregene protagonista di nuovi studi (Die „Casa Albero” in Fregene als Protagonist neuer Studien), https://www.artribune.com/television/2019/03/video-la-casa-albero-di-fregene-protagonista-di-nuovi-studi/ (20/07/2021)
6. Comitato permanente per la tutela della casa albero (Komitee zur Erhaltung der Casa Albero „Comitato permanente per la tutela della casa albero”), http://www.casaalberoperugini.it/ (20/07/2021)
Artribune, Architettura: nasce il Comitato Permanente per la tutela della Casa Albero di Fregene (Architektur: Das erste Komitee zur Erhaltung der Casa Albero von Fregene), https://www.artribune.com/progettazione/architettura/2020/09/architettura-nasce-il-comitato-permanente-per-la-tutela-della-casa-albero-di-fregene/ (20/07/2021)