Beleuchtung wird Kult – Über die Außenbeleuchtung von Sakralbauten

Wie Licht eine Bühne schaffen kann, auf der Mensch und Kirche miteinander in Interaktion treten, zeigt unser 2018 in der Großen Camlica-Moschee in Istanbul umgesetztes Referenzprojekt. Auf dem ausgedehnten Vorplatz, der Esplanade und auf der rechten Seite der Moschee haben wir eigens für diesen Zweck angefertigte Lichtprofile mit diffuser Optik verbaut. Ergebnis ist eine Lichtsinfonie, die einem strengen geometrischen Muster folgt, das in rhythmischen Abständen den Takt auf der weitläufigen Bodenfläche angibt.

Das von den Linearprofilen abgestrahlte Licht macht das riesige Areal zu einer Art Bühne, ja haucht ihm geradezu Leben ein. Das Licht scheint buchstäblich mit den Gläubigen, Touristen und Besuchern zu interagieren! Die Lichtquadrate haben eine überraschend „interaktive” Rolle übernommen und werden so tagtäglich zu einem „leuchtenden Podium“ für Selfies und Fotoaufnahmen vor der atemberaubenden Kulisse der Moschee.

Alles in allem ein beleuchtungstechnisches Projekt mit einem hochgesteckten Ziel: eine bleibende Erfahrung zu schaffen, die weit über Einkehr und Gebet hinausgeht.

Wenn man Bilder der Moschee betrachtet, liegt der Vergleich zu einer katholischen Kirche nahe. Wir sehen hier den Vorplatz der Basilika Sant‘ Ambrogio in Mailand. Der Bereich vor dem Haupteingang ist in der Regel durch architektonische Elemente wie Stufen oder Balustraden von den umliegenden öffentlichen Bereichen getrennt. Heutzutage werden dort die Gläubigen begrüßt und nach dem Gottesdienst verweilen sie dort oft noch etwas, um sich miteinander auszutauschen.

Auf den folgenden Bildern sieht man die Beleuchtung der Basilika im Bereich des Atriums und des Quadriportikus, eines vierseitigen Säulengangs mit Innenhof. In den Arkaden und im Bereich vor dem Atrium wurden Wandleuchten mit asymmetrischer Optik installiert, die den Innenbereich des Quadriportikus ausleuchten

Ob es sich nun um eine Bodenbeleuchtung mit Raumwirkung oder um funktionale Beleuchtung im Allgemeinen handelt, in beiden Beispielen wird die symbolische Bedeutung von Licht in diesem Raum deutlich: Es steht für einen sowohl physischen als auch mentalen Übergang, bei dem man sich auf eine ganz persönliche spirituelle Erfahrung einstimmt.

Wir stehen also vor dem architektonischen Gewand der heiligen Stätte, unser Blick streift Portale, Fenster, Pilaster oder Bogengänge und landet schließlich auf der Kuppel oder dem Kirchturm, je nach Baustil der Kirche.

Wir lassen uns von diesen charakteristischen Fassadenelementen leiten, um differenzierte Wahrnehmungshierarchien zu schaffen und dementsprechend die Art der Beleuchtung auszuwählen.

Wir befinden uns ins Süditalien, genauer gesagt in Apulien, vor einer kleinen Kirche aus hellem Tuffstein.

Die Fassade ist schlicht, einziges Ornament ist eine Lünette über dem Türsturz. Bestimmendes Element ist der Baustoff, der ganz im Vordergrund steht.

In diesem Fall wurde eine Beleuchtung mit Streiflicht gewählt, erzielt durch vier Bodeneinbauleuchten mit  geringer bis mittlerer Leistung, sowie durch vier auf dem Türsturz montierte Strahler, die den oberen Teil des Langhauses aus verschiedenen Richtungen anstrahlen. Die poröse Oberflächenstruktur und die besonders helle Farbe des Tuffsteins werfen das Licht zurück und sorgen so gewissermaßen für indirekte Beleuchtung auf dem Kirchplatz; den krönenden Abschluss bilden Gesimse mit klaren Linien, die das Bild einrahmen.

Etwas weiter im Norden, in den Abruzzen, befindet sich eine andere geschichtsträchtige kleine Kirche, die dem vorigen Gotteshaus zwar ähnelt, bei der jedoch ein ganz anderes Lichtdesign zum Einsatz kam.

Nicht die steinerne Textur wird hier betont, sondern die architektonischen Aussparungen, die das Bild der Fassade prägen. Dazu wurden Einbauleuchten bündig in den steinernen Sturz jeder Tür verbaut, um die Eingänge zu beleuchten. Am äußeren Rahmen der Fensterrose und an der Basis jeder Nische und Lünette hingegen wurden Strahler mit 10°x180°-Optik platziert, um das Innenprofil der Bögen zu unterstreichen.

Die Bauaufsichtsbehörden haben die Aufgabe, das kulturelle Erbe zu schützen und begrenzen aus diesem Grund oft den Spielraum für Eingriffe an historischen Fassaden. In den meisten Fällen liegt das Augenmerk darauf, die Struktur möglichst intakt zu halten und Bohrungen zu vermeiden, indem bspw. Strahler auf Bügel montiert und deren Kabel entlang der architektonischen Elemente geführt werden. Wird die Leuchtenoberfläche zusätzlich in einer passenden RAL-Farbe lackiert, lassen sich die Leuchten ganz diskret in das Gesamtbild der Fassade oder Struktur integrieren.

Betrachten wir zu guter Letzt zwei Beispiele von Fassaden, bei denen hohe Wände perfekt in Szene gesetzt werden.

Auf dem ersten Foto sehen wir eine moderne Kirche, deren gebogene Wand über die ganze Länge wie von Zauberhand mit Licht durchflutet wird. Dieser Effekt wird durch im Boden verbaute Linearprofile mit Wallwasher-Optik erzielt: ein angenehm weiches Licht ohne harte Schattenkontraste umschmeichelt die Struktur und verleiht Volumen.

Auf dem zweiten Foto hingegen ist das Linearprofil mit einer engstrahlenden Optik bestückt und auf Höhe des Wandpfeilers montiert, was der Fassade eine majestätische Aura verleiht und den Eindruck erweckt, als würde sie sich gen Himmel strecken.

Kommen wir jetzt zu weiteren charakteristischen Fassadenelementen: Skulpturen. Oft sind Außenwände von Sakralbauten mit Statuen verziert.

Wie können wir diese nach unseren Wünschen hervorheben und mit Licht modellieren? Wenn wir einen Strahler direkt unter der Figur an der Wand platzieren, erzeugt das Licht einen raffinierten Hell-Dunkel-Kontrast, der der Statue eine ganz und gar theatralische Wirkung verleiht (siehe erstes Foto).

Für eine weichere Lichtwirkung hingegen sollten wir die Leuchte in größerem Abstand anbringen und eine asymmetrische oder ausrichtbare Optik wählen. Diese besondere Abstrahlungscharakteristik hüllt die Figur in gleichmäßiges Licht und lässt sie weicher erscheinen (siehe zweites Foto).  Eine ganz andere Wirkung wiederum  erreichen wir durch eine Hinterleuchtung: Die Skulptur wird ins Dunkel getaucht und nur ihre Umrisse treten in einem geheimnisvollen Gegenlichteffekt hervor (siehe drittes Foto).

Auch Friese und Flachreliefs sind architektonische Details, die besser aus weiter Entfernung beleuchten lassen…als aus unmittelbarer Nähe.

Beim folgenden Projekt wurden Strahler per Mastmontage auf dem Vorplatz des Doms installiert, um die drei Flachreliefs und das Radfenster an der Fassade prominent hervorzuheben. Die besonders engstrahlende 6°-Optik eignet sich perfekt dazu, diese architektonischen Elemente in den Vordergrund zu rücken. Ein weiterer Vorteil dieser Beleuchtungslösung ist, dass die Intaktheit der Fassade voll und ganz gewahrt bleibt.

Das letzte skulpturale Element, auf das wir eingehen möchten, ist die Fensterrose – das runde Fenster, das viele Fassaden westlicher Kirchen ab der romanischen und byzantinischen Zeit prägt.

Um das Innenprofil einer Fensterrose fachgerecht zu beleuchten, ist eine Leuchte mit einem Abstrahlwinkel von 180° erforderlich. Nur so werden die inneren Reliefs wirkungsvoll angestrahlt und ihre Formen kommen perfekt zur Geltung. Möchte man eine Lichtabstrahlung mit etwas weicheren Konturen, so sollte man auf eine satinierte Optik setzen, für schärfere Konturen ist eine transparente Optik die richtige Wahl.

Wenn dekorative Motive im Spiel sind, reduziert eine satinierte Optik effektiv den Licht-Schatten-Kontrast.

Wir haben unseren Blick nach oben gerichtet und uns Gedanken über die Beleuchtung von Formen und architektonischen Elementen gemacht. Je näher wir der Fassade kommen, desto mehr wandert unser Blick nach unten, bis uns nur noch wenige Schritte vom Eingang trennen. Genau auf diesen Bereich wollen wir uns jetzt Schritt für Schritt konzentrieren.

Die beiden kleinen ebenerdig installierten Bodeneinbauleuchten lenken unweigerlich die Aufmerksamkeit der Besucher auf den Zugang und das herrschaftliche Eingangsportal. Ein Wabenraster als Zubehör garantiert blendfreie Beleuchtung.

Alternativ kann man den Eingang auch von oben nach unten beleuchten, bspw. durch Downlight-Einbauleuchten, die im steinernen Türsturz verbaut werden.

Durch eine elliptische Optik kann man, wie aus dem Projektbeispiel unten ersichtlich, die Laibung des Türrahmens mit Licht nachzeichnen oder ein dekoratives Relief auf der Eingangstür hervorheben.

Die Glocken läuten das Ende des ersten Teils unserer Erkundungsreise ein.

Als Ausklang lassen wir unseren Blick auf dem Glockenturm ruhen, dessen Profil sich dank einer Beleuchtung mit 10°x180°-Optik eindrucksvoll vor dem Nachthimmel abzeichnet. Kleine Strahler mit 40°-Optik auf der Kirchturmspitze bringen die herrlichen Maiolica-Kacheln des Giebels perfekt zur Geltung. So ragt aus dem Meer der steinernen Dächer und Gebäude, die in das typisch gelborange Licht der Natriumdampf-Hochdrucklampen getaucht sind, der stattliche viereckige Turm der Kirche mit einer Lichttemperatur von 4000K hervor und erstrahlt in seiner vollen Pracht.

Auch die Kirchturmglocken des französischen Örtchens Vieuvicq in der Normandie schließen sich dem Grußgeläut an. In diesem Fall wurde für die Beleuchtung der Kirche eine warme Lichttemperatur gewählt, die durch modernste LED-Leuchten erzielt wird.

Das Gebäude wird über seine gesamte Länge von Strahlern in Weißlicht 2700K beleuchtet, für den Kirchturm hingegen wagte man ein kaltes Weiß in 5000K. So sendet das Gotteshaus in kühlem Blau dem Allmächtigen seinen Gruß entgegen.

In diesem Artikel haben wir uns die heiligen Stätten von außen angesehen und uns vom Kirchplatz entlang der Fassadenelemente bis zum Kirchturm vorgearbeitet.
Im nächsten Post gehen wir der Frage auf den Grund, wie das Licht im Innenbereich zur spirituellen Atmosphäre beitragen kann.

Webografie

¹: Gcatholic, http://www.gcatholic.org/churches/cath.htm, 02/02/2021